Liebe Mitstreiter*rinnen
Wir freuen uns sehr, von so vielen guten Maria 2.0 Aktivitäten berichten zu können. Während die Kirche und Ihre Amtsträger die Corona Pandemie genutzt haben, um sich via "Plexiglasscheiben" und "Gitter"segnungen weiter von den Menschen zu entfernen, haben die Aktivistinnen von Maria 2.0 die Verschnaufpause genutzt, neue kreative Ideen zu entwickeln und die Bewegung voran zu treiben.
An dieser Stelle schon eine Danke an alle, die weiter sagen "Jetzt erst Recht - eintreten für Gleichberechtigung, Würde und Menschlichkeit!"
Inhalt
- Gittersegnung in Köln
- Kommentar zur Gittersegnung von Felix Neumann
- Brief der Ordensfrauen aus München - Gedanken zu Ostern 2020
- offener Brief an Bischof Bätzing aus Hildesheim
- Kirche neu erzählt - ein Podcast
- Aktionen von Maria 2.0 und der kfd im Bistum Mainz
- Rückblick Maria 2.0 in Münster im Mai
- "Save the date" Aktionswoche im September 2020
- News aus der Schweiz
- Warum so viele Menschen die Kirche verlassen - Exodus - ein Beitrag in der SZ vom 3.7.2020
Gittersegnung in Köln
Seit Mitte Juni 2020 werden die Portale des Nordquerhauses und der Eingangsbereich zur Domschatzkammer
durch ein künstlerisch gestaltetes, über drei Meter hohes und insgesamt etwa 47 Meter langes Schmiedeeisengitter
nach Entwürfen des Architekten und Künstlers Johannes Nagel geschützt.
Jetzt stand im Erzbistum Köln nichts Wichtigeres an, als diese Gitter zu segnen!
Ein guter Anlass für Maria 2.0 aufzuzeigen, welche Themen die Frauen im Kölner Bistum priorisieren.
Mit Plakaten demonstrierten die Kölner Aktivistinnen gegen die Gitter-Segnung und forderten stattdessen:
"Menschen segnen und nicht Gitter!" Ab Minute 18 min. kann im unten stehenden Link die erfolgreiche Aktion
angeschaut werden.
https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/lokalzeit-koeln/video-lokalzeit-aus-koeln---666.html
Kommentar zur Gittersegnung von F. Neumann
"Segnet Menschen, keine Gitter!"
So einen Termin gibt's auch nur bei der Kirche: Das Domkapitel lädt an den Dom ein – zur Segnung eines Gitters. Ein kurioser Termin mit einer kuriosen Aussage, kommentiert katholisch.de-Redakteur Felix Neumann.
Zugegeben: Was Gitter angeht, ist das nun neu an der Nordseite des Kölner Doms angebrachte eines der schöneren. Drei Meter hoch, 47 Meter lang, edel schmiedeeisern auf höchstem handwerklichen Niveau errichtet, kunstvolle und witzige Details bis hin zum eisernen Miniatur-Prälaten. Jetzt hat es auch noch einen Segen. Während anderswo die beispiellos hohen Kirchenaustrittszahlen diskutiert werden, segnet in Köln anlässlich des Patroziniums der Hohen Domkirche St. Petrus der Dompropst emeritus höchstselbst – ein Metallgitter.
Schon die völlig ironiefreie Pressemitteilung des Metropolitankapitels mit der Ankündigung der Zeremonie sorgte für Kopfschütteln – zu naheliegend die Nachfrage: Unter großem Bahnhof wird ein Metallgitter feierlich gesegnet, das die sehr profane Aufgabe hat, Wildpinkler, Andenkensammler und andere Vandalen von der Dommauer fernzuhalten – dafür ist Segen über? Über einen barmherzigen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen und den Segen nicht für Zäune, sondern für Menschen, die sich zwar gegenseitig lieben, dabei aber den oder die Falsche lieben, debattiert die Kirche seit Jahren.
Segen ist mit das Wertvollste, was die Kirche den Menschen zu bieten hat – der Zuspruch Gottes. Dazu gehört auch, Gegenstände und ihre Nutzung in den Kontext des Heils zu stellen, das Benediktionale ist voll davon. Sogar eine eigene Rubrik für die "Segnung jeglicher Dinge" gibt es da unter der Nummer 99. Mauern und Gitter kommen allerdings nicht vor, und wenn Christen im Gleichnis an die "Hecken und Zäune" geschickt werden, sind damit auch eher die Ränder der Gesellschaft gemeint, nicht Schutzmaßnahmen an der kirchlichen Zentrale.
Die Gitter-Segnung sollte wohl schöne Bilder liefern. Fromme volkskirchliche Folklore, eine Kernkompetenz der Kirche. Bezeichnend ist, was die von der Pressestelle des Doms verbreiteten Bilder zeigen: Eine Gruppe älterer Herren in schwarz, die sichtlich Freude an ihrer kleinen Feier haben und mit sich zufrieden sind. Bezeichnend ist auch, was die Bilder nicht zeigen: Eine Gruppe von Frauen der Protestbewegung Maria 2.0 steht ebenfalls am Gitter. Ihre Forderung ist der beste Kommentar zu diesem kuriosen Vorgang: "Segnet Menschen, keine Gitter!"
Von Felix Neumann
Der Autor
Felix Neumann ist Redakteur bei katholisch.de und Mitglied im Vorstand der Gesellschaft katholischer Publizisten (GKP).
Brief der Ordensfrauen aus München
FÜLLE IN DER LEERE - Ostererfahrungen 2020: "Es gibt kein Zurück hinter die Erfahrungen, die sie inmitten der Krise der vergangenen Monate gemacht haben – und das betrifft auch das Feiern der Eucharistie. So formulieren es zehn Ordensfrauen und schlagen der Kirche ein offenes Gespräch über neue Wege in die Zukunft vor." www.feinschwarz.net
Hier der großartige Text der Ordensfrauen aus München. Das wird unser Programm für September. Selbstbestimmt und selbstbewusst leben wir das, was wir vom Evangelium begriffen haben und brechen miteinander das Brot und vergegenwärtigen uns Jesus, als den der Gast bei uns sein möchte. Bereiten wir ihm und uns den Tisch!
https://www.feinschwarz.net/fuelle-in-der-leere-was-die-ostererfahrungen-2020-uns-sagen/
offener Brief an Bischof Bätzing aus Hildesheim
Sehr geehrter Herr Dr. Bätzing,
Sie werden zitiert, dass man das Thema Gleichberechtigung von der umstrittenen Frage nach der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern trennen müsse. Wie das gehen soll, erschließt sich nicht. Allein der Wortsinn von „Gleichberechtigung“ macht deutlich, worum es geht: Um GLEICHE Rechte.
„Gleich“ meint dabei tatsächlich „gleich“ – im Sinne von genau gleich!
Denn ebenso wenig wie es „ein bisschen schwanger“ gibt, gibt es „ein bisschen gleichberechtigt“! Sobald beim Wort „Gleichberechtigung“ auch nur ein einziger Ausschluss getroffen wird, für den diese Gleichberechtigung nicht gelten soll, geht es nicht mehr um echte Gleichberechtigung, sondern um eine Pseudo-Gleichberechtigung, um Verschleierung, um Augenwischerei, um Schönfärberei. Wer Frauen die Zulassung zu Weiheämtern allein aufgrund ihrer Ausstattung mit weiblichen statt mit männlichen Geschlechtsmerkmalen verweigert, verweigert ihnen damit ihr Grund- und Menschenrecht auf die Gleichheit von Frauen und Männern. Daher wäre es nur aufrichtig und ehrlich, wenn diejenigen, die sagen „Ich bin gegen die Zulassung von Frauen zu allen Weiheämtern“, ebenfalls den Mut hätten, in gleichem Atemzug zu bekennen „Ich bin gegen die Gleichberechtigung von Frauen und Männern“.
Nur das traut sich ja keiner, da scheint es auch in kirchlich-katholischen Amtsträgerkreisen ein gutes Gespür zu geben, dass sich so eine Aussage heutzutage einfach nicht mehr gehört…. Aber faktisch beinhaltet die erste Aussage zwangsläufig die zweite: Wer gegen die Zulassung von Frauen zu allen Weiheämtern ist, ist auch gegen eine wirkliche Gleichberechtigung von Frauen und Männern.
Und genau deswegen kann man das Thema Gleichberechtigung eben nicht von der umstrittenen Frage nach der Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern trennen! Echte Gleichberechtigung und die gleichberechtigte Zulassung von Frauen und Männern zu allen Weiheämtern sind zwei Fragen, die untrennbar miteinander verbunden sind.
Redlich gemeinte Bejahung von Geschlechtergerechtigkeit zieht untrennbar nach sich auch die Bejahung des gleichberechtigten Zugangs von Frauen und Männern zu allen Weiheämtern. Sehr geehrter Herr Dr. Bätzing, Sie werden auch zitiert, dass für Sie "die Geschlechtergerechtigkeit in der Kirche die entscheidende Zukunftsfrage" sei.
In der Tat: Die Frage der echten Gleichberechtigung von Frauen und Männern in der katholischen Kirche ist die Schlüsselfrage für die Zukunft unserer Kirche und ist damit auch das vordringlichste Thema des Synodalen Weges. Denn erst dann,
- wenn Frauen und Männer in allen (Weihe-)Ämtern, Diensten und hierarchischen Positionen gleichberechtigt mitgestalten,
- wenn Fragen wie (Pflicht-)Zölibat, Sexualmoral, Umgang mit (Macht-)Missbrauch, zeitgemäß erneuerte kirchliche Strukturen und Ämter gleichberechtigt von Frauen und Männern diskutiert werden,
- wenn diese Fragen vor allem auch wirklich gleichberechtigt von Frauen und Männern entschieden werden,
erst dann wird sich das Gesicht der Kirche tragfähig und zukunftsfähig verändern. Sehr geehrter Herr Dr. Bätzing, tragen Sie doch diesen Begründungszusammenhang in Rom vor, statt „als Bischof und katholischer Amtsträger“ die Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, „dass sich das Lehramt der Kirche erklärtermaßen nicht für befugt hält, Frauen zu weihen.“
Ein Lehramt der Kirche, das sich aber offenbar sehr wohl für befugt hält, Frauen und Männer weiterhin als nicht gleichberechtigte Geschöpfe Gottes einzustufen – und das auch noch unter Berufung auf Gottes Willen.
Erstaunlich, erstaunlich…
Wer soll ein solches Lehramt heute noch ernst nehmen?
Mit freundlichen Grüßen
24 Unterzeichnende aus der Initiative „Maria 2.0 im Bistum Hildesheim“
Kirche neu erzählt - ein Podcast
Die Idee Alle machen mit! Wir sind eine Gruppe katholischer Frauen verschiedenen Alters aus Köln. Wir glauben, dass Kirche mehr zu bieten hat als das, was zurzeit aus ihr gemacht wird. Verbunden durch die Initiative „Maria 2.0“ möchten wir auf diesem Blog insbesondere Frauen zu Wort kommen lassen und ihre Sicht auf Kirche und Glaube darstellen. So wird „Kirche neu erzählt“. Dieser Verteiler soll ein Gemeinschaftsprojekt sein: eine Plattform, um gemeinsam zu beten, sich zu freuen, wütend zu sein, zu singen, zu lachen und, um uns über unsere Geschichten des Lebens und mit der Kirche auszutauschen. Sendet uns eure Beiträge – ob Bilder, Texte, Erfahungsberichte, Gedichte, Lieder, Witze – alles, was ihr selbst verfasst habt und euch zum Thema „Kirche“ auf der Seele brennt – an podcast2.0@gmx.de, wir leiten es weiter – im besten Falle täglich! Wer in den Verteiler aufgenommen werden will, schickt uns ebenfalls eine Mail an podcast2.0@gmx.de Die E-Mail-Adressen bleiben für die anderen Mitglieder des Verteilers natürlich verborgen.Save the date - Aktionswoche im September 2020
In diesem Jahr wollen wir - die Initiatoren aus Köln und Münster - die Aktionswoche im September stattfinden lassen.
Da viele Ideen auch auf gutes Wetter angewiesen sind und die Aktionen nicht in den Herbstferienwochen stattfinden sollen,
sieht die Planung die Woche vom 19.9-26.9.20 vor, möglicher Höhepunkt wird in Köln vor dem Dom am 20.9.20
eine Kundgebung auf dem Roncalliplatz werden mit dem Thema: "Am Tisch des Herrn sind alle willkommen".
Wir stellen eine lange Tafel auf und laden zur Agape ein, es wird ein Fest mit Reden und Gesang.
Weitere Infos zur ganzen Woche in Köln folgen - ebenso zur geplanten Hoffungs- und Klagemauer,
die allerdings im Oktober stattfinden wird.
Aktionen aus dem Bistum Mainz

Rückblick Maria 2.0 Münster im Mai

Aktionswoche im Mai im Bistum Rottenburg Stuttgart

News aus der Schweiz von Simone Curau-Aepli
Die katholischen Bischöfe der Schweiz laden erstmals Frauen an ihre Konferenz ein.
Mittendrin: die Weinfelderin Simone Curau-Aepli.
Interview: Sabrina Bächi
Die nationale Bischofskonferenz lädt im September zu seiner Sitzung den Schweizerischen Katholischen Frauenbund ein, den Sie präsidieren. Wie wichtig ist dieses Treffen?
Simone Curau-Aepli: Es ist sehr wichtig. Es ist das erste Mal, dass die Bischöfe den Weg der Erneuerung auf Augenhöhe mit verschiedenen katholischen Gruppierungen angehen. Und die Frauenfrage wurde als so wichtig erachtet, dass wir vom Schweizerischen Katholischen Frauenbund die Ersten sind, die an so einem Treffen teilnehmen.
Wie läuft dieses Treffen ab?
Bisher wurden drei Personen vonseiten der Bischöfe und von unserer Seite ausgewählt, die das Treffen vorbereiten. Wir waren uns einig, dass eine externe Person das Treffen leitet. Weiter wollen wir, dass man danach offen über die Ergebnisse und das Treffen selbst informiert. Dies soll auch für die folgenden Treffen gelten. Wir gehen auf jeden Fall sehr selbstbewusst in diesen Prozess, weil wir Frauen vom Schweizerischen Katholischen Frauenbund einen wichtigen Teil der katholischen Kirche repräsentieren.
Was ist inhaltlich Ihr Ziel?
Wir werden die Frauenfrage in der Katholischen Kirche diskutieren.
Was ist denn die Frauenfrage konkret?
Es geht um gleiche Würde und gleiche Rechte für die Frau innerhalb der Katholischen Kirche.
Was heisst das genau?
Wir haben abgemacht, dass wir inhaltlich nicht vorgreifen. Aber grundsätzlich ist es klar: Wir fordern schon sehr lange, dass Frauen aufgrund ihrer Würde die gleichen Rechte haben müssen wie die Männer. Es geht um Kompetenzen, Aufgaben und Partizipation der Frauen innerhalb der Kirche.
Das heisst also, dass Frauen auch Priesterinnen werden sollen?
Ich bin überzeugt, die Zeit arbeitet hier für uns. Es gibt in der westlichen Welt immer weniger Männer, die Priester werden wollen. Handkehrum sind längst viele fähige Frauen in der Seelsorge, in der Katechese oder in der Liturgie tätig und üben damit priesterliche Dienste aus. An der Ämterfrage bleiben seit Jahren notwendige Reformen hängen. Allerdings müssen wir Frauen uns schon fragen, ob wir in diesen Strukturen wirklich Priesterinnen sein wollen.
Warum?
Das ganze System ist patriarchal geprägt. Wenn wir Frauen mitbestimmen, würde sich wohl Grundlegendes ändern an der Art und Weise, wie die Katholische Kirche geführt wird.
Und Sie denken, die Bischofskonferenz ist ein guter Ort, diese Anliegen anzubringen?
Ja, die Bischöfe prägen die Kultur der Kirche in der Schweiz massgeblich und doch sehr unterschiedlich, je nach Bistum. Sie haben von Papst Franziskus dazu explizit einen Handlungsspielraum erhalten. Wichtig ist, dass die Bischöfe uns zuhören. Das ist sicher der erste Schritt. Und: Wir wollen auch gut hinhören, was sie zu sagen haben. Wir wollen wissen, wie sie die Entwicklung der Frauenfrage sehen.
Glauben Sie, der Frauen- und Kirchenstreik am 14. Juni 2019 hat geholfen, dass dieses Treffen zustande kommt?
Ja, ich vermute es stark.
Gibt es ein Schlüsselerlebnis, weshalb sie das vermuten?
Nun, wir haben einen Monat vor dem Frauenstreik an unserer Delegiertenversammlung den Streik inszeniert, indem einige von uns mit pinken Mitren und Stiefeln und mit Transparenten in die Versammlung platzten. Für Bischof Denis Theurillat, dem zuständigen Bischof für Frauenfragen, war das sehr unangenehm. Aber: Er hat festgestellt, dass die Frauen unter den pinken Mitren und hinter den Transparenten genau die gleichen Frauen sind, mit denen er sonst so gut zusammenarbeitet. Das hat ihn, glaube ich, schon beeindruckt. Er hat gemerkt, dass er uns nicht in die Ecke der linken Emanzen drücken kann, dass es nicht einfach um eine Revolution geht, sondern dass unsere Anliegen für die Kirche fundamental wichtig sind und gehört werden müssen.
Der Katholische Frauenbund hat drei Tage lang gestreikt. Sie selbst haben sich in Weinfelden während des Gottesdienstes vor die Kirche gesetzt. Hat der Streik auch unter den Frauen etwas bewirkt?
Er hat uns nach innen gestärkt. Viele Menschen, die teilweise nicht mehr in der Kirche oder gar nicht katholisch sind, kamen auf mich zu und sagten mir, wie gut sie es fänden, dass wir auf unsere Rechte pochen.
Sie sind Katholikin und Feministin. Ist das nicht ein schweres Los?
Doch. Klar. Stellen Sie sich mal vor, ich wäre auch noch schwarz. Es ist schwierig. Aber wir in der Schweiz befinden uns in einer sehr privilegierten Situation. Wir leben in einer liberalen Gesellschaft und haben ein duales System in der Kirche, das in dieser Art weltweit einmalig ist: Es gibt bei uns die Kirchgemeinden und Landeskirchen und damit entsprechend demokratische Strukturen. Genau darum sehe ich es als meine Pflicht, in der Schweiz und weltweit gegen jegliche Diskriminierung zu kämpfen. Hier gibt es Veränderungspotenzial, das je nach Bistum noch brach liegt. Die Kirchgemeinden könnten mehr für die Gleichstellung tun, weil sie ja auch die finanziellen Mittel und damit einen entscheidenden Hebel in der Hand haben.
Sie wirken ein bisschen wie eine feministische Jeanne d’Arc.
Eigentlich lieber nicht, wenn ich ihr Ende bedenke. Aber mit der Fahne voranzuschreiten? Ja, ich habe in meiner Funktion als Präsidentin des Schweizerischen Katholischen Frauenbunds eine Mission, die ich erfüllen will.
Wann hören Sie auf zu kämpfen?
Wenn ich keine Verbündeten mehr habe. Ich bin so aufgewachsen, dass man sich für eine Sache einsetzt, wenn sie wichtig ist. Und das Kollektiv gibt mir eine enorme Kraft. Im Glauben, aber auch bei politischen Anliegen.
Ist das Bild der Mutter Gottes im katholischen Glauben Schuld daran, dass Feminismus und katholische Kirche nicht harmonieren?
Maria ist für alle Katholikinnen eine wichtige Figur, weil sie demütig und widerständig war. Aber sie wurde mystifiziert. Sie wurde durch die patriarchale Auslegung asexuell – zur ewigen Jungfrau. Und genau das stört mich so an der Katholischen Kirche: Es ist heute noch so, dass allein zölibatäre Männer die Rollen von uns Frauen definieren. Denn der Vatikan hat Angst vor der weiblichen Urkraft. Dabei gibt es zum wichtigen Begriff der Barmherzigkeit das Synonym «Schoss» also Gebärmutter. Hier entsteht neues Leben – und nur im weiblichen Körper. Und ich glaube an einen liebenden Gott, der barmherzig ist. Und ich glaube an die weibliche Kraft. Das hat Konsequenzen.
Zum Beispiel?
Ich bekreuzige mich stets so, dass ich bei der Stirn «im Namen von Gott Vater» sage und darauf die Hand nicht zum Brustbein, sondern zum Unterleib führe und sage «und Mutter» und dann wie gewohnt das Kreuz beende. Und ich beginne das «Vater unser» mit «Vater Himmel – Mutter Erde». Das Christentum hat einfach den Bezug zum Leib und zur Erde verloren. Die Schöpfung wird nicht als Ausdruck des Göttlichen geehrt und gepflegt, sondern wird ausgebeutet. Ich habe unseren vier Kindern vermittelt, dass alle Menschen aufgrund der Taufe die gleiche Würde haben. Bei unserer Krippe gab es beispielsweise neben einem weissen und einem dunkelhäutigen König auch immer eine edle Königin.
Was wünschen Sie sich für die katholische Kirche?
Ich wünsche mir, dass die Kirche von unten erneuert wird, dass wir auch auf der pastoralen Ebene demokratische Strukturen schaffen. Denn die Bischöfe stehen im Dienst der Gemeinde. Ich will eine glaubwürdige Kirche, die keine Menschen diskriminiert, die alle als würdig betrachtet und in der die Frau die Stellung hat, die sie verdient – eine gleichberechtigte.
Wie gross ist Ihre Hoffnung, dass dies geschieht?
Es geht etwas, aber einfach sehr langsam. Doch die Zeit drängt zunehmend, wenn die Kirche in der westlichen Welt nicht in die Bedeutungslosigkeit versinken will.
Glauben Sie, dass es mal einen weiblichen Papst geben wird?
Wenn es Priesterinnen gibt, wird es auch eine Päpstin geben. Die Frage ist wann.
Persönlich gefragt,
persönlich geantwortet
Simone Curau-Aepli wohnt mit ihrem Mann Beat in Weinfelden und ist Mutter von vier erwachsenen Kindern und hat zwei Enkelkinder. Die gelernte Marketingfachfrau ist beruflich in der Curau AG engagiert. Ehrenamtlich arbeitete sie bei den Thurgauer CVP-Frauen und war Vize-Präsidentin der CVP-Frauen Schweiz. Seit 2016 ist sie Präsidentin des SKF Schweizerischer Katholischer Frauenbund, dem 130000 Frauen angehören. Es ist der grösste konfessionelle Frauenverband der Schweiz. Musik bezeichnet die Weinfelderin als ihr Lebenselexier. (sba)
Warum so viele Menschen die Kirche verlassen, ein Beitrag in der SZ
Ein Beitrag aus der Süddeutschen Zeitung vom 3. Juli 2020
Exodus
Mehr als 500 000 Menschen sind 2019 aus den beiden großen christlichen Kirchen ausgetreten. Unmut über die Kirchensteuer ist sicher ein Grund, doch die wahren Ursachen der Entfremdung liegen viel tiefer
Von Annette Zoch
München – Der Brief klingt im Ton betrübt, auch ein wenig drohend: „So muss ich die gewiss harte, aber auch klare Sprache der kirchlichen Lehre und des kirchlichen Rechts benutzen, wenn ich auf den Verlust einer ganzen Reihe von Rechten hinweise“, heißt es in dem Formbrief der Deutschen Bischofskonferenz, den katholische Gläubige bei einem Kirchenaustritt von ihrem Pfarrer erhalten sollen. Vorbei ist es mit Sakramenten wie Eucharistie oder Buße. „Sie dürfen nicht Tauf- und Firmpate werden. Es kann Ihnen das kirchliche Begräbnis verweigert werden, wenn Sie vor dem Tod kein Zeichen der Umkehr und der Reue gezeigt haben.“ Ob diese Argumente noch ziehen?
Offensichtlich nicht. Als vergangene Woche die Rekord-Austrittszahlen aus der evangelischen und katholischen Kirche bekannt wurden, war die Bestürzung zwar groß. An den Zahlen gebe es „nichts schönzureden“, sagte der Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing. Die Zahlen zeigten, „dass die Entfremdung zwischen Kirchenmitgliedern und einem Glaubensleben in der kirchlichen Gemeinschaft noch stärker geworden ist.“ 272 771 Katholiken sind 2019 aus ihrer Kirche ausgetreten – 26 Prozent mehr als im Vorjahr, so viele wie noch nie. Auch bei den Protestanten kehrten etwa 270 000 Menschen der Kirche den Rücken, 22 Prozent mehr als im Vorjahr. Und dabei war 2019 gar kein Skandaljahr, anders als zum Beispiel 2010, als der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche bekannt wurde. Damit gibt es in Deutschland noch 22,6 Millionen Katholiken und 20,7 Millionen Protestanten.
Gleichwohl: Überraschend kommt das nicht. Zum einen würden immer weniger Kinder religiös erzogen, sagt der Münsteraner Religionssoziologe Detlef Pollack und spricht von einem „Traditionsabbruch“: „Bei westdeutschen 16- bis 25-Jährigen sagen unter 30 Prozent von sich, dass sie eine religiöse Erziehung genossen haben.“ Die Zahlen für Ostdeutschland seien noch niedriger. Wer dann als junger Mensch mit wenig kirchlicher Sozialisation beim Blick auf den ersten Gehaltszettel den Kirchensteuerabzug sieht, kehrt der Kirche schneller den Rücken als jemand, der als Kind vielleicht mal Messdiener war oder bei einer Bibelwoche. „Menschen in modernen hochkomplexen und differenzierten Gesellschaften haben in Familie, Beruf und Freizeit sehr viele Verwirklichungsmöglichkeiten“, sagt Pollack. In unserer Gesellschaft sei „das Nachdenken über den Sinn des Lebens gar nicht so zentral, wie man meint. Nur sieben bis acht Prozent der Menschen sagen in Umfragen, solche Fragen seien ihnen sehr wichtig, 25 bis 30 Prozent halten sie für wichtig.“
Die Corona-Pandemie habe Sinnfragen zwar wieder in den Vordergrund gestellt, aber nicht nachhaltig. Stattdessen erwarten die Kirchen durch Corona sogar noch eine Beschleunigung der Abwanderung: In Wirtschaftskrisen liegt es nahe, dass Menschen sich die Kirchensteuer sparen wollen. Die Austrittswelle ist also nicht nur ein Problem von hohem Symbolwert, sondern hat auch handfeste finanzielle Auswirkungen. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland hat zum Beispiel ein Sparpapier zum Abbau von Doppel- und Mehrfachstrukturen vorgelegt, über das bei der Synode im November entschieden werden soll. Die Synodalen sollen auch darüber nachdenken, zum Beispiel Berufseinsteiger durch reduzierte Kirchensteuern stärker an die Kirchen zu binden. Die Kirche werde angesichts der Austrittszahlen nicht tatenlos bleiben, sagte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Bischof Georg Bätzing forderte, die Kirche müsse durch Transparenz und Ehrlichkeit Vertrauen zurückgewinnen.
Doch das dürfte nicht einfach werden, vermutet Pollack: Veränderungsprozesse „werden von denjenigen, die ausgetreten sind, gar nicht mehr wahrgenommen. Es treten ja nicht nur und vor allem diejenigen aus, die von der Kirche enttäuscht sind.“ Sondern vor allem die Indifferenten.
„Glaube hat heutzutage nur noch wenig mit der Institution Kirche zu tun“, sagt Christian Hennecke, Leiter der Hauptabteilung Pastoral im Bistum Hildesheim. „Ich kann nicht sagen: Alle, die ausgetreten sind, glauben nichts.“ Die Debatten um Reformen müssten seiner Ansicht nach viel mutiger geführt werden. Noch gehe es der Kirche in erster Linie um Selbsterhalt: „Natürlich ist das, was wir gerade erleben, ein schmerzlicher Prozess. Wir hatten Einfluss und Relevanz im Staat, bestimmte Formen der Machtausübung, eine gewisse zahlenmäßige Stärke. Aber wie komme ich eigentlich auf den Gedanken, dass 40 Millionen Christen besser sind als 20 Millionen Christen? Was sagt so ein rein quantitatives Kriterium denn aus? Sagt das was aus, wenn fast alle sich zu einer christlichen Konfession bekennen, aber Krieg führen? So einfach ist das nicht.“
Was die Kirche derzeit betreibe, sei in erster Linie Innenrevision, sagt Hennecke. „Die eigentlichen Fragen haben wir noch nicht gestellt. Nämlich: Wie können wir in einer fluiden und pluralen Gesellschaft Glauben leben.“ Das Evangelium habe immer noch eine Kraft und Energie für heute, nur die Formen der Verkündigung seien in einem Transformationsprozess. Hennecke berichtet zum Beispiel von einer Osternacht via Zoom, der er zuschauen durfte. „Da war kein Priester dabei, kein Hauptamtlicher. Sondern 20 Familien, und jede dieser Familien hat etwas Kleines beigesteuert, eine Lesung, ein Lied. Das hat mich sehr berührt. Diese Menschen brauchten keine Theologiekurse, die haben das einfach selbstbewusst gemacht und konnten das auch.“
Nun seien die Beschränkungen für Gottesdienste wieder gelockert, doch viele Menschen klicken weiterhin lieber den Livestream an, als physisch zu kommen. Viele Pfarrer diskutierten nun, wie man die Gläubigen sonntags zurück in die Kirche bekäme. Doch das sei die falsche Herangehensweise, findet der katholische Theologe: „Kirche muss nicht fragen: Wie kriegen wir die Menschen wieder rein? Sondern: Wie gehen wir zu den Menschen raus?“